Wieso werde ich nicht schwanger?
Wenn Kinderwunschberatung zu einer Krisenintervention wird
Vor ein paar Monaten habe ich die Prüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie bestanden. Damit bin ich jetzt eine promovierte Biologin und Heilpraktikerin auf dem Gebiet der Psychotherapie. Als ich für die Prüfung lernte sagte ich mir immer wieder, wer Kinderwunschberatung macht, dem kann es nicht schaden, den kleinen Heilpraktikerschein zu haben, oder?
Das gleiche sagte ich zu meinem Mann, als er sich wunderte, warum mich Psycho-Themen plötzlich so sehr beschäftigen. Mein Mann weiß, dass ich sechs Jahre an einem Top Institut für Psychiatrie zu eben diesen Themen Grundlagenforschung betrieben habe. Also fragte er:„Wozu brauchst du den Heilpraktikerschein? Hast du vor, vor der Prüfungskommission einen Vortrag zu halten?“ Aber trotzdem hat er mich in der Vorbereitungszeit sehr unterstützt. Vielleicht hat mein Mann darin auch ein eigenes Interesse erkannt. Weil es keiner Ehe schadet, wenn die Ehefrau Heilpraktikerin für Psychotherapie ist. Und meine Ehe ist da keine Ausnahme.
Also glaubte ich monatelang fest daran, dass ich den HPP machen möchte, um Sie besser unterstützen zu können.
Ein unerfüllter Kinderwunsch ist wirklich kein lustiges Thema und das Leiden wird nach einer gewissen Zeit unerträglich. Außerdem gehen in Deutschland Frauen gern zu Heilpraktikern und auch viele Ärzte verschreiben homöopathische Mittel.
Aber anstatt mich mit Entspannungsverfahren gründlicher zu beschäftigen – weil diese ja im Kern der HPP Kompetenzen liegen – fand ich mich oft und lange in psychiatrische Vorlesungen vertieft. Monatelang brauchte ich psychiatrische Vorlesungen so wie man das Essen oder Duschen braucht. Es gibt online kaum einen Vortrag in deutscher Sprache, der länger als eine Dreiviertelstunde dauert, den ich nicht verschlungen hätte. Manche auch zweimal und manche mitten in der Nacht. Irgendwann einmal besuchte ich einen Kurs für psychiatrische Notfälle, und es fühlte sich so richtig an, dort zu sitzen.
Mit einem Psychiater habe ich vor einigen Wochen lange über Kinderwunsch und Psyche gesprochen: Im Gespräch mit Psychiater Prof. Dr. Gerhard Gründer: Nehmen Sie Ihre seelischen Schmerzen ernst. Die Vorbereitung auf dieses Gespräch hat mir so viel Freude bereitet, dass ich mir letztendlich etwas Wichtiges eingestehen musste:
Meinen HPP Schein habe ich überhaupt nicht für meine Patienten gemacht, sondern für mich selbst. Weil ich mich vor den Gesprächen mit denen emotional besser abpuffern möchte. Weil meine Beratungsgespräche kein gemütliches Coaching sind, sondern richtige Kriseninterventionen. Und im Unterschied zu vielen anderen Therapeuten, stehen mir keine Verteidigungsmittel zur Abwehr bereit.
Ich habe keine Psychoanalytiker-Couch, auf der Sie liegen, während ich hinter Ihrem Rücken durchs Fenster schaue und Sie entspannt durch Ihre Vergangenheit wühlen lasse.
Ich habe auch keine Nadeln, keine Skalpelle und überhaupt keine Geräte, die mir helfen würden, meine aufgeregten, verzweifelten Klientinnen auf Distanz zu halten.
Ich habe nur mich selbst; meine gute Absichten und meine Entschlossenheit, Sie nicht zu beurteilen bzw. Ihnen meine absolute Wertschätzung entgegenzubringen, ganz unabhängig davon, in welchem mentalen Zustand Sie sich gerade befinden.
Bei manchen Frauen beobachte ich, wie die Konfrontation mit gewissen Diagnosen, soweit man eine altersbedingte Erschöpfung der Eizellreserve als Diagnose verstehen darf, sie in Schock- und Panikzustände versetzt. Manchmal werden sie depressiv und berichten, wie ihr Leben sich in zwei Hälften teilt: die Zeit vor und nach dem ernüchternden Gespräch in der Arztpraxis.
Diese Stimmung erkenne ich schon an den E-Mails die mich erreichen, in denen Sätze wie diese stehen: “ Darja, wieso werde ich nicht schwanger? Ich mache alles richtig und es klappt trotzdem nicht… Ich weiß nicht, ob das alles überhaupt noch etwas bringt…“
Große Zweifel am eigenen Körper und am Selbstwert sowie Verlust der Kontrolle über eine Zukunftsplanung treffen manche Frauen sehr hart. Außerdem beobachte ich diverse Essstörungen, die ausgeprägter zu sein scheinen je länger eine Frau an unerfülltem Kinderwunsch leidet.
„Ist es wirklich in Ordnung, wenn ich eine Tasse Kaffee am Tag trinke? Schadet es, wenn mein Freund und ich ab und zu mal ein Glas Rotwein trinken?“ – Ich weiß gar nicht, wie oft ich diese beiden Fragen gestellt bekommen habe.
Wegen Psyche nicht nicht schwanger? Andauernder Stress kann unser Hirn und unsere Drüsen verändern und auf diese Weise den Eisprung hemmen.
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Also, in Zukunft werde ich auf meinem Blog öfters Psycho-Themen ansprechen. Das ist ein großes Gebiet und die Hauptfrage lautet immer noch: Hat die Psyche überhaupt einen Einfluss darauf, ob eine Frau schwanger wird oder nicht?
Wenn ja, wie groß ist dieser Einfluss? Darüber scheiden sich die Geister und die Lösung ist noch lange nicht in Sicht.
Aber die gute Nachricht ist: endlich wird zu diesen Themen geforscht.
Seit einigen, wenigen Jahren (Stand Feb. 2019) kommen immer mehr Publikationen in Fachzeitschriften heraus, die den Einfluss der Psyche auf die verschiedensten Aspekte des Kinderwunsches untersuchen. Manche Ergebnisse sind wirklich interessant. Aber manchmal muss ich lachen, weil ich merke: auf diesem Gebiet gibt es jetzt Geld und es fließen dicke Drittmittel. Leider werden meiner Meinung nach noch keine richtigen Fragen gestellt.
Hier sind schon einmal vier interessante Publikationen, die ich in den letzten Wochen entdeckt habe.
- Crawford NM, Hoff HS, Mersereau JE. Infertile women who screen positive for depression are less likely to initiate fertility treatments. Hum Reprod. 2017 Mar 1;32(3):582-587. WIDER IMPLICATIONS OF THE FINDINGS: Screening for depression is important in the infertility patient population, as further evaluation and psychological interventions may improve compliance with fertility treatments, quality of life, and potentially, the overall chance of pregnancy.
- Frederiksen Y, O’Toole MS, Mehlsen MY, Hauge B, Elbaek HO, Zachariae R, Ingerslev HJ. The effect of expressive writing intervention for infertile couples: a randomized controlled trial. Hum Reprod. 2017 Feb;32(2):391-402. WIDER IMPLICATIONS OF THE FINDINGS: Expressive writing intervention (EWI) is a cost-effective and easy to implement home-based intervention, and even small effects may be relevant. When faced with infertility, EWI could thus be a relevant tool for alleviating depressive symptoms by allowing the expression of feelings about infertility that may be perceived as socially unacceptable. However, the implications do not seem to be applicable for men, who presented with increased infertility-related distress over time.
- Lawson AK, Klock SC, Pavone ME, Hirshfeld-Cytron J, Smith KN, Kazer RR. Prospective study of depression and anxiety in female fertility preservation and infertility patients. Fertil Steril. 2014 Nov;102(5):1377-84. FINDINGS: The findings indicated that the psychosocial interventions in general improved psychological outcomes, marital relationships and pregnancy rates among infertile couples.
- Madero S, Gameiro S, García D, Cirera D, Vassena R, Rodríguez A. Quality of life, anxiety and depression of German, Italian and French couples undergoing cross-border oocyte donation in Spain. Hum Reprod. 2017 Sep 1;32(9):1862-1870. FINDINGS: Germans showed higher social scores (+6.41; P < 0.001) but lower relational scores (-8.94; P < 0.002) than Italians. Men reported significantly lower anxiety scores for the HADS than their partners (-1.38; P < 0.001), and German couples reported lower anxiety (-1.70; P = 0.003) and depression than their Italian counterparts (-1.56; P < 0.001). French patients were more likely to have required support by a mental health professional due to fertility problems in the past (+0.19; P < 0.001).
Also, ich werde versuchen Ihnen zu helfen und Sie helfen mir und gemeinsam werden wir hier und auf diesem Blog auch diesen Fragen auf den Grund gehen und interessante Gesprächspartner suchen und finden.