Embryologin erzählt: Wie werden Embryonen operiert?
ERA, PICSI, Embryo-Glue und mehr – was ist sinnvoll und wann
Vor einigen Tagen habe ich an einem interessanten Webinar teilgenommen, geleitet von Dr. Yadira Pallás Gálvez, Embryologin an der Reproduktionsklinik Vistahermosa in Alicante.
Sie berichtete von diversen Addons, Eizellen- und Embryo Untersuchungen, die von den Kliniken zu den IVFs angeboten werden und für die sich die Patientinnen gern und oft entscheiden, in der Hoffnung, dass jede zusätzliche Untersuchung an den Embryonen sie einen Schritt näher zu ihrem Wunschkind bringt. Viele Patientinnen denken, je mehr zusätzliche Verfahren sie buchen, desto höher sind ihre Chancen, schwanger zu werden und ein gesundes Kind zu bekommen.
Aber ist das wahr?
Ich fand es interessant, was eine Embryologin aus einem fortgeschrittenen, modernen Labor, in einem Land, was als Vorbild in Sachen Stammzellen und Eizellen gilt, aus ihrem Alltag berichtet. In dem Webinar äußerte sich Dr. Yadira Pallás Gálvez über MACS-Spermienselektion, Assisted Hatching, Embryo Glue, PGD und PGD-A (oft noch als PGS bezeichnet).
Also, welche dieser Addon Methoden helfen und welche sind überflüssig oder sogar schädlich?
Hier ist eine kurze Zusammenfassung:
Genetische Untersuchungen auf Embryonen – Präimplantationsdiagnostik
Genetische Untersuchungen bei Embryonen dienen (theoretisch zumindest) dazu, Eizellen und Embryonen auf mögliche genetische Störungen hin zu untersuchen bzw. diese durch eine gezielte Embryoselektion auszuschließen.
Je nach Land und Sprache gibt es viele verschiedene Begriffe, die auf die zwei wichtigsten reduziert werden können:
- PGD (in Deutschland meistens als PID – Präimplantationsdiagnostik bezeichnet) sucht gezielt nach bestimmten genetischen Krankheiten.
- PGD-A (auch noch als PGS bekannt) sucht nicht nach seltenen Krankheiten, sondern ist ein grobes „Screening“ auf Veränderungen der Chromosomen-Anzahl. Mit PGD-A/PGS können außerdem noch einige große Veränderungen entdeckt werden: Translokationen, Austausch von chromosomalen Abschnitten usw.
„PGD führen wir oft durch, um eine Reihe von etwa 1.300 genetisch bedingten Krankheiten zu testen. Meistens handelt es sich um rezessive Krankheiten, das heißt: die Krankheit bricht aus, wenn sowohl der Vater als auch die Mutter eine mutierte Genversion haben.
Die Frage ist, welche Krankheiten sollten getestet werden? Unsere Entscheidungen basieren auf den neuesten Forschungsergebnissen und diversen Konsens-Kriterien. Wenn eine dieser Erkrankungen in der Familie vorhanden war: Muskelatrophie, Beta-Thalassämie, zystische Fibrose, X-fragil usw., empfehlen wir diese Art von Test bei der Vorbereitung auf eine Schwangerschaft durchzuführen.
PGD-A. Das Alter der Frau ist die häufigste Ursache für ein Versagen der Implantation, Fehlgeburten und angeborene Anomalien. Bei Frauen unter 35 sind ca. 50% der Embryonen aneuploid (d.h. sie haben eine falsche Anzahl von Chromosomen). Bei einem Alter über 41 haben etwa 80 % der Embryonen einen falschen Chromosomensatz. Wir sehen einen entscheidenden Einfluss des Alters. In den Fällen, bei denen genügend Embryonen zur Auswahl stehen, ist PGD-A sicherlich eine gute Methode, die besten Embryonen auszusuchen, welche übertragen werden sollen. Aber es ist sicherlich keine Methode, die wir automatisch anwenden bzw. unseren Patienten anbieten.“
Ist die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland erlaubt? Ja, aber nur ganz selten bzw. wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Kind unter einer schweren Erbkrankheit leidet. Um zu erklären, warum Embryoselektion bzw. Untersuchungen an Embryonen – PGD (PID) und PGS in Deutschland nicht erlaubt sind, würde jetzt den Rahmen sprengen. Was Sie sich merken sollten ist, dass Sie eine PGD zu 99,99% nicht brauchen, und das PGS auch nicht mehr automatisch empfohlen wird bzw. die Methode immer schärfer kritisiert wird (Stand Februar 2019).
„MACS (Magnetic Activation Cell Sorting) benutzen wir, um die Spermien vor zu selektieren. Mit dieser Methode können wir genetisch robustere Spermien auswählen. Das eignet sich in den Fällen, bei denen Spermien-DNA Fragmentierung vermutet wird, sowie bei wiederkehrenden Fehlgeburten und langanhaltender idiopathischer Sterilität.
Unsere Erfahrung ist: MACS-ausgewählte Spermien führen zu besseren Implantations- und Schwangerschaftsraten.
Timelapse (auch als „Embryohotel“ bekannt) bedeutet, dass ein optisches System an den Inkubator angeschlossen wird. Die Embryonen bleiben ungestört im Inkubator, und wir haben trotzdem die Möglichkeit, die embryonale Entwicklung genau zu verfolgen.
Mein Kommentar zum Time-Lapse: Mich beeindruckt es sehr, wie die Geschichte sich zu wiederholen scheint: vor etwa 150 Jahren machte die Medizin den größten Quantensprung in ihrer Geschichte, indem die praktizierenden Ärzte bzw. Operateure die Wichtigkeit erlernten, sich die Hände zu waschen und Keime nicht weiter zu verbreiten. Die Timelapse-Methode betrachte ich auf ähnliche Weise – indem die Tür vom Inkubator in Ruhe gelassen wird und damit die ganz feine Mikroumgebung von Embryonen nicht ständig gestört wird, wachsen die Embryonen besser bzw. die Kontaminationsgefahr sowie starke Veränderungen in der Sauerstoffkonzentration, pH vom Zellmedium usw. fallen weg.
Assisted hatching: machen wir selten und wirklich nur dann, wenn es medizinisch indiziert ist.
Embryo Glue ein spezielles Medium für den Embryotransfer, welches den Embryonen angeblich das Anhaften an die Gebärmutterschleimhaut erleichtert. Verwenden wir regelmäßig; unsere Erfahrung ist, dass Embryo Glue hilft und wir verwenden es etwa zehn Minuten vor dem Transfer.
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Eizellen- und Embryo Untersuchungen, was braucht man wirklich?
Nach dem Vortrag gab es eine interessante Frage- und Antwort-Runde. Ich gebe sie hier ungekürzt weiter.
Meine Frage an die Embryologin: Gibt es ein bestimmtes Addon, von dem Sie komplett abraten würden?
Dr. Gálvez: Alle Addons sind nur dann nützlich, wenn sie medizinisch indiziert sind. Addons sollten niemals verwendet werden, wenn es keine eindeutige Indikation gibt, die Eizellen oder Embryonen zu manipulieren.
Mein Kommentar: Mich beeindruckt sehr, wie oft die Embryologin die Notwendigkeit der minimalen bzw. gar keiner Manipulation an den Eizellen betont. Immer wieder sagt sie, dass Eizellen und Embryonen nur dann manipuliert werden sollten, wenn dies eindeutige Vorteile bringt: wenn Addons medizinisch indiziert und sicher sind bzw. wissenschaftlich nachgewiesen wurden. Als ich zuletzt auf der HFEA-Webseite gecheckt habe, standen vier von den zehn meistgenutzten Addons auf „rot“ (nicht empfohlen oder schädlich): Asissted Hatching, PICSI, IMSI, und PGS; alle andere Addons stehen zurzeit auf „gelb“ (noch nicht ausreichend untersucht) – Stand 2019.
Frage: Was halten Sie von einem „doppeltem Embryotransfer“? Wenn z.B. ein Embryo in einem frischen Zyklus übertragen wird und nach zwei Tagen noch ein weiterer (z.B. eine Blastozyste aus dem vorigen Kryozyklus)?
Dr. Gálvez: Wir übertragen alle Embryonen immer am selben Tag und haben keine guten Erfahrungen mit dem Transfer von Embryonen an verschiedenen Tagen.
Frage: Empfehlen Sie ERA-Test?
Dr. Gálvez: Ja, ERA hat sich in unseren Händen als hilfreich erwiesen.
Frage: Würden Sie jeder Patientin ein Time-Lapse Monitoring empfehlen?
Dr. Gálvez: Wir glauben, dass Time-lapse einer der wichtigsten Fortschritte in der Embryokultur darstellt. Früher mussten wir täglich das Zellmedium wechseln. Timelapse hat stabile Bedingungen geschaffen.
In Zusammenarbeit mit UR Vistahermosa
Kontaktdaten: Kinderwunsch-Klinik CLÍNICA VISTAHERMOSA
No.1 in Alicante, Top 20 in Spanien
internacional@urvistahermosa.com
Empfang+34 965 269 146
Klinik +34 965 268 000
Kontakt internationale Abteilung: https://urvistahermosa.com/de/departamento-internacional/
Frage: Für wie wichtig halten Sie die NK-Zellen?
Dr. Gálvez: NK-Zellen sind schon wichtig. Im Falle eines wiederkehrenden Versagens der Implantation kann dies der Ursprung des Problems sein. Aber darüber wissen wir noch nicht viel.
Frage: Was halten Sie von PICSI? Bringt PICSI Vorteile im Fall einer Spermien-DNA Fragmentierung?
Dr. Gálvez: In solch einem Fall bevorzugen wir MACS, diese Methode bringt für uns bessere Erfolgsraten.
Frage: Es gibt Gerüchte, dass Addons falsche Hoffnungen machen. Wie unterscheiden sich die Erfolgsquoten konkret in Ihrer Klinik, wenn Sie Addons verwenden?
Dr. Gálvez: Wir benutzen nur Addons, die sich in unseren Händen als nützlich erwiesen haben.
Meine Frage an die Embryologin: Würden Sie die Polkörperdiagnostik (PKD) empfehlen und wann?
Dr. Gálvez: Nein, weil es nicht klar ist, ob diese Methode wirklich hilft oder eher die Eizellen und daraus entstehenden Embryonen sogar beschädigt. Wenn überhaupt sollte eine Biopsie in späteren Stadien der embryonalen Entwicklung gemacht werden.
Addons sind nur dann nützlich, wenn sie medizinisch indiziert sind. Addons sollten niemals verwendet werden, wenn es keine eindeutige Indikation gibt, die Eizellen oder Embryonen zu manipulieren.
Frage: Wie kann man das Labor einer Kinderwunsch-Klinik am besten einschätzen? Welche Kriterien sollte man verwenden, welche Fragen stellen? Die Zahl der IVF Zyklen pro Embryologe oder etwas anderes?
Dr. Gálvez: In diesem Prozess müssen Sie viel Vertrauen haben. Sie müssen sich in der Klinik wohlfühlen und das Team sehen und mit den Leuten sprechen können. Diese Frage ist für mich nicht einfach zu beantworten.
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