Eizellspende ODER: Wie Urlaub in Spanien, der Ukraine und Tschechien hilft, schwanger zu werden
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Wenn man über Eizellen und künstliche Befruchtung spricht, denken viele Menschen sofort an skurrile Fälle wie in der Geschichte hier (59-Jährige will Baby ihrer toten Tochter austragen). Das entspricht aber nicht der Realität.
Eizellen der Frauen über 35 verschwinden schnell und haben oft eine verminderte Qualität. Das ist der Hauptgrund, warum es in dem Alter mit dem Schwangerwerden oft nicht so schnell klappt und warum Frauen (vor allem wenn Sie schon über 40 sind) manchmal auf eine Eizellspende angewiesen sind.
In der Tat gehen jedes Jahr rund 10.000 Europäerinnen, darunter etwa 3000-4000 Deutsche, Tendenz steigend, nach Spanien, Russland, Tschechien, aber auch in die Niederlande, Ukraine und noch ein paar andere Länder, um da schwanger zu werden (Stand 2019).
Eizellspende in Spanien
Oft sind die Frauen schon Ende 30 bis Mitte 40, haben etliche gescheiterte Versuche künstlicher Befruchtung hinter sich und wollen nun mithilfe gespendeter Eizellen einen letzten Versuch wagen.
Wer zur Eizellspende kommt, kennt sich sicherlich gut aus mit Leid, mit Unfruchtbarkeit, und hat trotzdem noch Mut, doch ein neues Leben in die Welt zu setzen. Keiner, wirklich keiner geht zur Eizellspende aus Spaß, um sich ein Designerbaby zu bestellen, oder sonst irgendwelchen Kapricen zu treiben, wie Leute, die vom unerfülltem Kinderwunsch keine Ahnung haben, oft vermuten.
Manche Frauen kommen zur Eizellspende, weil sie durch eine Erkrankung (etwa bei Krebs) oder deren Behandlung ohne eigenen Eizellen geblieben sind. Bei manchen ist die Menopause viel zu früh eingetreten, was zum Teil genetisch bedingt ist.
Oder es kommen die Eltern (viele sind aus der Schweiz), die bereits ein behindertes Kind haben und hoffen, dass eine Präimplantationsdiagnostik (ein Gen-Check) die Entscheidung für weiteren Nachwuchs erleichtert.
Deutsche Frauen lieben alle Behandlungen rund um die künstliche Befruchtung in Spanien, da Spanien hohe Standards zu moderaten Preisen biete (im Unterschied zu den USA, zum Beispiel).
In Spanien werden fast alle möglichen Techniken der Reproduktionsmedizin durchgeführt. Spanien ist nicht nur führend im Sinne von erzielten Schwangerschaftsraten, ihre Forschung ist auch top, ich habe mich schon unzählige Stunden mit Fachpublikationen von spanischen Autoren befasst.
Laut Angaben des spanischen Fertilitätsverbandes werden 40 Prozent aller Eizellenspenden Europas in Spanien durchgeführt. Vierzig Prozent! (Einen extra-Post über meine Zeit bei der Dexeus-Klinik in Barcelona finden Sie hier).
Weiterhin ist Präimplantationsdiagnostik (PID) zur Erkennung von schweren genetischen Krankheiten in Spanien erlaubt.
PID darf auch zur Erkennung anderer Beeinträchtigungen angewandt werden, die das Leben des Neugeborenen schwer belasten können (und ich finde es immer wieder schön, dass Menschen auch intelligent und pragmatisch neue medizinische Methoden akzeptieren können, ohne gleich hysterisch zu werden und an Designerbabys zu denken).
Update 2016: PID ist auch in Deutschland erlaubt, allerdings nur in Extremfällen
Update 2018: Laut Embryonenschutzgesetz ist es in Deutschland immer noch nur unter besonderen Umständen erlaubt, einen Embryo nach einer künstlichen Befruchtung vor dem Einpflanzen in den Mutterleib zu untersuchen. In Bayern allerdings (die meisten PID Zentren liegen ja in Bayern) werden zunehmend Embryos genetisch auf Krankheiten untersucht. Wie das Gesundheitsministerium in München berichtete, gab es in 2018 rund 60 Prozent mehr Anträge auf PID als im Jahr zuvor.
Update 2020: Aus dem Embryo-Gesetz sollte ein Fortpflanzungsmedizingesetz werden. Warum das eine wahre Katastrophe bedeuten könnte, lesen Sie hier: Leihmutterschaft bald im Fortpflanzungsmedizingesetz in Deutschland?!
Geschlechterselektion ohne Krankheitsbezug ist in Spanien nicht erlaubt.
Der Auslöser für dieses Gesetz war ein Richterspruch auch dem Jahr 1988, als «Urteil von Mataró» bekannt. Das Gericht verweigerte damals einer Mutter von vier Söhnen das Recht, im Rahmen einer PID als nächstes Kind eine Tochter auswählen zu dürfen. Also mit Fragen zu Designerbabys, die in rudimentärer Form in Deutschland erst jetzt angesprochen werden, hat Spanien sich vor beinah dreißig Jahren auseinandergesetzt.
Noch ein weiterer Punkt für Spanien: die Kliniken bieten Eizellen- und Samenspenden für Frauen selbstverständlich ganz unabhängig von ihrem Familienstand oder ihrer sexuellen Tendenzen. Deshalb reisen auch viele lesbische Paare und Single-Frauen aus Deutschland nach Spanien, um dort schwanger zu werden.
Das ausgerechnet Spanien in Sachen Reproduktionsmedizin so fortgeschritten ist, hat vielleicht auch mit einem Zufall zu tun: bereits 1988 ist, damals unter einer sozialistischen Regierung, ein sehr liberales Gesetz zur Reproduktionsmedizin beschlossen worden. Das hat entscheidende Vorteile geschaffen und zahlreiche Kliniken im Land entstehen lassen, die heute weltweit führend sind.
Noch interesant: Eizellen der Frau sind ein großes Geheimnis. Was genau ist eine Eizellenspende bzw Eizellspende? Lesen Sie hier, warum Frauen wegen dieser speziellen Art der Kinderwunschbehandlung manchmal ins Ausland reisen müssen.
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Eizellspende in Tschechien
Auch Tschechien ist eine beliebte Destination für Frauen über 35, die schwanger werden möchten, ob mit eigenen oder fremden Eizellen.
Was die Eizellspende betrifft, ist Tschechien so etwas wie das Spanien des kleinen Mannes.
Viele Kliniken in Tschechien bieten ausländischen Paaren ihre Dienste an. Ich persönlich kenne Frauen aus Kroatien und Serbien, die die Pränatal-Klinik in Prag, mit ihren tollen Ärzten, hohen Schwangerschaftsraten, und gut organisierter Logistik und gutem Drumherum sehr loben (falls jemand aus Pränatal-Klinik meinen Blog liest: Danke, dass Sie sind um die Frauen, die in ihren Heimatländern keine gute Kinderwunschkliniken haben so lieb kümmert).
Eizellspende in der Ukraine
Noch günstiger ist die Eizellspende in der Ukraine.
Dort kann man sich angeblich die Eizellspenderin gar per Katalog aussuchen. Leider, im Unterschied zu der Situation in Spanien und Tschechien, wo ich Erfahrungen aus erster oder zweiter Hand gemacht habe, über die Lage in der Ukraine kann ich nicht viel sagen. Außer dass ich es persönlich wahrscheinlich nicht wagen würde, weil ich nicht wie Fr. Annegreth R. mit Vierlingen im Bauch enden möchte.
Und wie ist es in Deutschland?
Nach deutschem Embryonenschutzgesetz bleibt die Schwangere nach einer Eizellspende im Ausland straffrei.
Also wenn das keine gute Nachricht ist?!
Das gilt aber nicht für Ärzte in Deutschland, die entsprechende Adressen vermitteln bzw. Frauen vorbehandeln, damit sich der Auslandsaufenthalt für sie verkürzt.
Aber der Druck auf den Gesetzgeber wird wachsen. Insbesondere, weil die Behandlung bald in Österreich möglich sein wird und damit selbst die Sprachbarriere wegfällt. (Update 2019: Österreich hat jetzt auch ein liberales Embryo-Gesetz: die Eizelle-Spende ist erlaubt, genauso wie die Samenspende für lesbische Paare und die PID-Untersuchung des Embryos. Altersbeschränkung für die Eizellspende: die Empfängerin der gespendeten Eizellen darf den 45. Geburtstag bei Behandlungsbeginn nicht überschreiten).
Das größte Problem der Auslandsspende bleibt die Anonymität des Verfahrens.
Kinder, die in Valencia, Madrid, oder Prag gezeugt werden, haben keine Möglichkeit, später ihre genetische Herkunft zu erfahren.
Aus der Forschung weiß man, dass sich Adoptivkinder fast immer für ihre leiblichen Eltern interessieren, also das Gleiche ist für Kinder zu erwarten, die dank einer Samenspende (oder einer Eizelle, was ein viel jüngeres Verfahren ist), entstanden sind.
Deshalb wäre für alle Beteiligten die beste Lösung, eine offene Eizellspende auch in Deutschland zu erlauben.