Endlich: IVF- und ICSI-Zuschüsse für unverheiratete Paare
Es ist nicht so, dass es mich immer wahnsinnig interessiert, was mein Mann erzählt, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Er arbeitet im Bundespresseamt und wenn über eine Pressemittleilung berichtet wird, in der innerdeutsche Politik vorkommt, ist es selten etwas, was mich innerlich bewegt oder es gar auf meine Webseite schafft. Vorletzte Woche war das anders.
Vorletzte Woche nämlich hat die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig bekannt gegeben, dass sie die Fördermöglichkeiten für eine künstliche Befruchtung auch für unverheiratete Paare zugänglich machen möchte.
Denn diese Paare wurden bislang benachteiligt. Unverheiratete Paare wurden bis jetzt im Sinne der Förderung für künstliche Befruchtungen einfach nicht berücksichtigt. Wenn es nach der schönen Bundesfamilienministerin geht, soll sich das nun bald ändern.
Also sollen bald unverheiratete Paare das Recht auf drei kostenlose IVF-Versuche von den gesetzlichen Krankenkassen bekommen? Hier, bei uns? In Deutschland, wo seit Jahren immer weniger Kinder geboren werden? Wie hätte ich anders als mit Freude darauf reagieren können?
Wenn ich schon jeden Monat auf der Abrechnung meiner Krankenkasse diese so hohe Summe sehe, dann soll dieses Geld gefälligst in etwas Sinnvolles investiert werden und das Leid der Menschen lindern. Und gibt es Zustände, die viel mehr weh tun, als der unerfüllte Kinderwunsch?
Eine Kleinigkeit in dem Bericht hat mich allerdings gewundert: die Bundesfamilienministerin fördert nur eine kleine Summe von kaum einer halben Million Euro?! Viel zu wenig, finde ich, wenn man bedenkt, dass schon eine IVF-Behandlung locker 4.000-5.000 Euro kostet und das oft mehr als ein Versuch notwendig ist, bevor eine Frau schwanger wird?
Egal, erst drücken wir mal die Daumen, dass der Vorschlag akzeptiert wird und wenigstens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gemacht wird.
Für diejenigen, die es noch nicht wissen: wie waren die Regeln bis jetzt? In wieweit konnten die Paare mit unerfülltem Kinderwunsch mit der Hilfe ihrer Krankenkassen rechnen?
Bisher beteiligten sich die gesetzlichen Krankenkassen an bis zu drei IVF Versuchen. Aber zuerst mussten die Paare bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Zum Beispiel die Altersgrenze – schon hier fallen in heutiger Zeit viele Paare durch, ob verheiratet oder nicht. Männer dürfen höchstens 49 Jahre alt sein, Frauen mindestens 25 Jahre und höchstens 39. Also ganz schön ungerecht angesichts der Tatsache, dass die allermeisten Frauen eh über 35 sind, wenn ein unerfüllter Kinderwunsch für sie zum Thema wird.
Weiterhin dürfen in Deutschland immer noch nur Eizellen und Samen der Eheleute verwendet werden. Und wir leben im Jahr 2015.
Manche europäische Länder sind uns da so sehr voraus, dass man wirklich nur verzweifeln kann. Warum eigentlich? Warum ist Deutschland so selbstverständlich vorne, wenn es um den technologischen Fortschritt geht, und wenn es um Fortpflanzungsorgane und die Qualität der Eizellen geht, da lehnen wir uns gern zurück und schauen erstmal jahrelang (auch jahrzehntelang!!), was Kanada, USA, Spanien und Skandinavien machen?
Und neuerdings auch die Türkei und langsam sogar Saudi-Arabien?! Wer soll uns noch in Sachen Eizellen überholen?
Ich wundere mich sehr, denn wie viele Jahrzehnte müssen noch vergehen, damit Deutschland sein Embryonenschutzgesetz, das noch aus dem Mittelalter der künstlicher Befruchtung stammt, einigermaßen zeitgemäß überarbeitet? Wie viele Tausende Paare werden noch ins Ausland gehen müssen, um sich dort ihren Wunsch nach einem Kind zu erfüllen?
Für Paare, die nicht verheiratet sind, heißt das: falls sie sich ihren Kinderwunsch nicht auf natürliche Weise erfüllen können (und dass ist statistisch gesehen bei jedem siebten Paar der Fall), müssen sie die Kosten für die künstliche Befruchtung komplett selbst tragen. Damit wird IVF zur einzigen Krankenkassenleistung, für die man einen Trauschein braucht.
Was für einen Sinn macht das?
Den Menschen das Gefühl zu geben, ihre Kinder wären nicht willkommen?
Wobei es eigentlich nur die teure Befruchtung ist, vor der die Krankenkassen sich drücken – später, wenn Kinder geboren werden, gibt es für alle gleiche Leistungen, Programme und Untersuchungen, egal ob ihre Eltern verheiratet, unverheiratet oder geschieden sind. Ist ja doch selbstverständlich, oder?
Ich sage nicht, dass Paare nicht heiraten sollten. Ich finde sogar, bei den Summen, die Paare für eine IVF aufbringen müssen, kann ein unerfüllter Kinderwunsch sogar Auslöser zum Heiratsantrag werden, warum nicht?
Es gibt wirklich viele Grunde, warum es für Kinder doch um einiges besser ist, wenn Eltern verheiratet sind, aber darüber wollen wir jetzt wirklich nicht streiten.
Trotzdem zeigt die Lebensrealität (vor allem in Großstädten), dass die Ehe als strenge Voraussetzung für das Kindeswohl überholt ist. Viele Paare heiraten nicht und wollen trotzdem Eltern werden. Viele Frauen fangen erst spät an, Kinder zu bekommen – das alles sind Realitäten, die sich nicht so bald ändern werden.
Die Welt hat sich geändert: wen wundert es? Man hat in der Politik erst jahrzehntelang daran gearbeitet, die klassische Familie als wünschenswerte Lebensform in Frage zu stellen und das Familienleben als spießig und unattraktiv abzutun.
Man hat es geschafft, den Frauen bestimmte Bilder und Erwartungen in den Kopf zu setzen (Karriere, Selbstverwirklichung, Flexibilität – ja, sogar unsere Mütter haben dabei geholfen, dass für uns das selbstverständlich wird, woran sie selbst nicht geglaubt haben) und nun müssen jetzt die Kinder her. Na, dann helft uns jetzt, liebe Politiker, wenigstens mit diesem einen winzigen Schritt!